Reisebericht Baltikum
Saugeil
Baltikum 2016
160 km vor St. Petersburg - auf dem Bock durch das Baltikum - viel Spaß
Nun,
die Bürger der baltischen Länder sind Abkömmlinge vielerlei Nationen.
Es mischen sich Nordlichter mit russischen Genen und ganz klar
mitteleuropäischen Wurzeln, wobei wir als Germanen deutlich bemüht
waren, diese Landstriche zu beleben, zu nutzen und zu gestalten.
Estland, ganz im Norden gelegen, hat mit seinen rund 1,3 Mill Einwohnern
ganz klare Verbindungen zu Finnland. Estland ist das modernste Land der
Balten und uns Deutschen teils zehn Jahre voraus. Lettland, in der
Mitte gelegen zwischen den Esten und den Litauern zeigt sich auf gutem
mitteleuropäischem Niveau und hat knapp 2 Mill Bürger. Litauen zeigte
sich uns als gut entwickeltes 3Mill- Land mit einem gewissen
Nachholebedarf in Baukultur und Wohnqualität. Dafür hat Litauen sehr
viel Landwirtschaft und gute Böden. Die beiden nördlicheren Staaten
haben nur Sand und Kiefern. Davon aber genug.
Dies sind allerdings
alles persönliche Eindrücke, die sich mit anderen Zielen und Erlebnissen
sicher übertünchen lassen. Aber die Basis erlebt jeder Reisende, es
beginnt mit der Qualität der Straßen und endet mit den besonderen
Eindrücken mancher Toiletten und Gasthäuser. Ebenso konnten wir unsere
Erfahrungen bei diversen Stadtbesichtigungen sammeln und ganz ehrlich,
die Esten punkteten am besten.
Nun aber los!
Anfang 2016
begannen die Planungen für diese Tour. Welcher Termin, welche Anreise,
welche Grobziele, welche Ausstattung, weitere Teilnehmer, welche
finanziellen Möglichkeiten und und und...
Mit persönlichen
Informationen anderer Baltikumreisender sah es schon mal recht eng aus,
es wurde gegoogelt, telefoniert, Kartenmaterial beschafft und es wurden
Kontakte geknüpft. So fanden wir im WEB unter diversen MC´s einen der
größeren Art in der Nähe Riga´s und fragte zwecks Übernachtungstipps
online an. Ich gewann das Pokerspiel und durfte mit unseren Begleitern
kostenlos im Rigaer Clubhaus wohnen.
Dazu mussten wir uns
entscheiden, wie wir dahin gelangen könnten und so entschieden wir uns
für eine Direktfähre von Lübeck nach Ventspils. Als wir die letzten
sechs Kabinenplätze reserviert hatten, ging es noch einmal an die
Straßenkarten und es wurden verschiedenste Wege durchexerziert...und es
kam ganz anders.
Im Juli erhielten wir die erste Absage eines
unserer Teilnehmer aus privaten Gründen - da waren wir statt geplanter
sechs noch fünf Teilnehmer. Auf der vorzeitigen Anreise zur Fähre
zerschellte am 11.8. eine relativ neue 1200er GS an einem Baum, wobei
unser Teilnehmer mit vertretbaren Verletzungen davon kam...da waren es nur
noch vier!
Am 13. August 2016 starteten wir 7.00 Uhr zu dritt, nicht wundern, von Plauen Richtung Lübeck. Bis 16.00 Uhr mussten wir an der Fähre sein, um überhaupt an Bord zu dürfen, wobei das Kontrollpersonal uns staubetroffene Nachzügler netterweise auch noch etwas später an Bord lies. Unser Vierter im Bunde war unser unbekannter Teilnehmer, der Schwager des BMW- Knallers. Er wartete bereits seit Stunden an der Fähre, direkt an der Zufahrt und hatte von Templin aus eine kürzere Anreise.
Erst wenn man auf der Ostsee Schiff fährt, merkt man, dass es ein richtiges Meer ist und man draußen keinerlei Land sieht. Das Wetter war beherrschbar, die Wellen so einen Meter hoch und wir konnten problemlos futtern. Problemlos? - Moment!
Man darf aber auch wissen, dass viele Mitreisende sich die Kabine sparen und einfach auf Decken am Boden schlafen oder in der Kinoecke mit rund 200 anderen Schnarchern.
Am 14. Aug sind wir gegen 18.00 Uhr MESZ in
Ventspils angekommen und waren sofort von der bunten Hafenwelt positiv
beeindruckt. Wer glaubt, im Baltikum ist alles schwarzgrau sollte
sofort losfahren und umdenken. Wir stellten nun unsere Uhren eine Stunde
vor, dem Breitengrad entsprechend und tuckerten von Bord. Nach zwanzig
Metern durften wir die Regenpelle das erste Mal überwerfen, es wurde in
den nächsten Tagen noch öfters geübt.
Da es nun schon nach 19.00
Uhr war, donnerten wir zunächst an die Ostseeküste und beehrten die
Staatsstraße P124 mit unserer Gesellschaft. Nach etwa 20 km fanden wir
einen Wegweiser zu einem Campingplatz und wurden dreimal überrascht.
Erstens durch die dortige Art, Ausfahrten von Hauptstraßen nur noch etwa
zehn Meter zu asphaltieren und dann durch die miese Qualität des
Sandweges, der bei Regen den begleitenden Solos richtig Spaß machte.
Nach rund einem km fanden wir dann einen Campingplatz Note 1.
Mitten im Dreck, mitten im regenfeuchten Wald stehen da top Hütten,
ein Versorgungsbau mit allem Schnick und gepflasterte Wege ringsum.
Zur Küste sind es fünf Minuten zu Fuß durch sandigen Kiefernwald, wie auf Rügen.
Wegen
des Regens haben wir uns eine Hütte gemietet mit Bad und zwei
Doppelzimmern für lässige 60,00 €. Unter dem passenden Vordach gab es
das erste Abendmahl aus dem Reisekoffer und paar Bier waren auch im
Notpaket.
Am
langen freien Tag in Riga gönnten wir uns eine Bus- Rundfahrt, auch mit
deutschem Sprechtext, dazu paar Blicke in das Stadtzentrum und einige
Besuche der hiesigen Gastronomie. Riga ist wie Berlin, total überlaufen,
stressig und modern gezeichnet. Die Altstadt ist ein gut erhaltenes
Viertel für Bauingenieure und Geschichtler.
Mit hoffenden Blicken
zum Himmel starteten wir am Mittwoch über die E67 gen Norden und
strandeten wegen des Dauerregens in Pärnu.
Pärnu ist toll, eine
moderne Touristenburg mit teils altertümlichen Flair. Holzhäuschen an
Holzhäuschen, dazwischen schöne Parkanlagen, alles pikobello gepflegt
und sauber. Mittendrin ein Pullerhäusl, PVC weiß, blitzeblank, frisch
gewischt und hell beleuchtet. Keinerlei Mief, so mut dat. Ein
ordentlicher Strand, erschlossen, bemöbelt und pikfein sauber. Wir
buchten an einem Zeltplatz zwei Doppelzimmer im Servicegebäude und
wurden auch hier nicht enttäuscht. Nur dieser Regen......so war das
nicht geplant.
Am nächsten Tag fuhren wir per Fähre in 45 Min auf die Insel Kynuh, die "Insel der Gespanne". Leider
sind die Zeiten der angeblich hundert Dreiräder vorbei, aus
Umweltgründen abgeschaltet. Schon seltsam, da hat man eine touristische
Marktchance aber man verpasst sie durch Gesetze und Gebote.
Die
Natur auf der Insel zeigt sich standartisiert, mit Sandböden, Kiefern,
paar Wohngrundstücken und einem kleinen Inselmuseum. Die Einwohner
fahren jetzt Auto...und die Touristen gehen enttäuscht wieder an Bord.
Lustig war das Kennenlernen eines Fahrradpärchens, die uns als Plauener
ansprachen. Sie kamen auch aus unserer Stadt, per Jet und fuhren mit
Mietwagen und Fahrrad durch die Gegend.
Der Regen hatte an diesem Tag
ein Einsehen und drohte nur mit dicken Wolken. Die Sonne schaffte es
aber auch uns zu wärmen. So fuhren wir weiter auf der E101 und der E134
gen Norden und fanden abends einen kleinen privaten Zeltplatz am Rande
von Hapsalu.
Tallinn zeigte sich als eine super erhaltene Hafenstadt mit einem sehr schönen Stadtzentrum, netten Kneipen und einer gut erhaltenen Burg. Tallinn ist absolut empfehlenswert, auch per Flieger von Berlin aus.
Von Tallinn fuhren wir nach kurzer Besprechung noch einen lange Ritt über die E20 Richtung Narva, dem nordöstlichsten Punkt der EU. Zwischenstop kurz vor Purtse auf dem schönen Campingplatz "Mereoja Camping".
So starteten wir am Samstag nach Narva, um
wenigstens einen Blick nach Russland werfen zu können.
Der zwischen den Festungen sprudelnde Grenzfluss "Narva" zeigte sich von einer ganz besonderen Seite. Güllebraun, stinkig und schaumig, eine echte Kloake. Aber was soll es, Angler gibt es auch da, puh.
Mit meinem Reifen war
nun gar nix mehr los und wenn es regnen sollte, wäre ich der erste
Kandidat für einen gepflegten Abflug, also mussten wir reagieren. Als
wir früh wieder loszogen, trafen wir an einer Tanke einen einheimischen
V- Stromler. Ein Urviech mit viel Spaß an unserer Unterhaltung. Er gab
mir den Tipp, bis Tartu zu schlittern, nur da hätte ich eine Chance,
eine passende Pelle zu finden. Somit ging es an diesem Sonntag die
letzten 50 km bis Tartu, der zweitgrößten Stadt Estlands. Am frühen
Nachmittag hatten wir einen guten Zeltplatz, ein Taxi in die Stadt und
ein absolutes Whow- Erlebnis. Leute, da muss man hin. Tartu wurde im 2.WK zu hundert Prozent platt
gebombt. Das hinderte die Menschen nicht daran, ihre Innenstadt wieder
original aufzubauen. Blitzsaubere Altstadtfassaden, besenreine Straßen
und Wege, saugeile Kneipen, so zum Bsp. eine ehemalige Pulverkammer, ein
Ziegelgewölbe riesigen Ausmaßes, in welcher jetzt eine feine Bar
steckt. Nur gut, dass Sonntag war - aber echt eh, prosit!
Am
Montag fuhren wir per Google- Hilfe und GPS zu einer freien
Motorradwerkstatt. Der sauber deutsch sprechende Boss erfüllte voll
unser Vertrauen. Er hatte zwar keinen passenden Reifen aber flugs wie
das gelebte Unternehmertum sauste er los und organisierte einen
passenden Pneu. Inklusive Montage berappte ich 150,00 €, ganz einfach
per EC. Zum Dank gab ich seinen Schlossern einen 25er Pack Kümmerling,
die waren baff und wir bester Stimmung. Übrigens, der Verkaufsbereich im
Motoshop kann mit jedem deutschen Mopedladen mithalten, alles da.
Wir tapsten bei abendlichem Niesel noch mal um das Schloss aber es war eher eine Notlösung. Doofer Regen..... Am darauf folgenden Dienstag fuhren wir die letzten 30 km Richtung Litauen, überquerten fast unbemerkt die Grenze und fuhren bei sommerlichen 25 Grad zum "Berg der Kreuze". Das ist ein Nationaldenkmal des Landes und touristisch halbwegs erschlossen. Vor paar hundert Jahren hatte wohl ein Priester hier ein Kreuz aufgestellt und dabei blieb es nicht. Es ist Tradition, einmal im Leben als Litauer hier ein Kreuz zu Ehren früherer Vorfahren aufzustellen...es sind tausende.
Vor dem Zusammentreffen gingen wir eine kleine Runde durch das Zentrum und wurden zurückgebeamt in die frühen neunziger Jahre in Plauen. Alles etwas simpel, Putz bröselt, Schmutz auf den Straßen, hm...es war nicht wirklich schlecht aber es fehlt hier und da das finanzielle Pflaster für Erneuerungen. Rugile meinte auch, dass der Euro zu bald kam, alles wurde teurer....wir kennen das ja.
Da es erst so 15.00 Uhr war, machten wir uns auf den Weg nach Klaipeda. Am Eingang zur Stadt buchten wir wieder zwei Hotelzimmer, es regnete mal wieder aus allen Rohren. Das Hotel war gut gebucht aber wir hatten Glück und für je 40,00 € eine 2Mann- Bude inkl. Frühstück.
Unsere zwei Jungs marschierten in die Innenstadt und kamen schwärmend zurück, tolle Gegend da, gute Altbausubstanz, netter Markt, kleine Läden.
Am nächsten Tag fuhren wir auf guten polnischen Straßen 500km und bis Templin am Rande Berlins. Hier bei unserem Reisebegleiter konnten wir noch einmal schlummern und am Samstag waren wir gegen 14.00 Uhr zuhause.
Motorrad- km: 4100
Schiffsreise- km: etwa 1000 in 24h
Gesamtkosten rund 1300,00 € für 2 Personen im Gespann inkl. Reifenkosten
Super 95 pro Liter etwa 1,05 €, Durchschnittsverbrauch mit Gespann 9L
Sonstige Schäden: eine gebrochene Tachowelle, Japaner eben
Tip:
Wer klever ist, bucht 2 x Fähre, Polen ist als
Transitland nicht unbedingt empfehlenswert = da geht es 800km gradaus!
Noch was:
Im
Baltikum liegen gute Entfernungsleistungen um die 300 km pro Tag. Wer
das täglich fährt, ist richtig gut unterwegs. Das Gute an den Baltischen
Staaten ist dafür deren eher geringe Größe, das gleicht manches aus.